Anna (60): Ich habe mein Leben wieder

Schon in meiner Jugend kam ich mit Alkohol in Kontakt. Mein Vater trank, und auch im sonstigen Umfeld wurde gern gebechert. Als Heranwachsende fand ich Alkoholtrinken toll; es nahm mir meine Unsicherheiten, ich wurde mutig.  In dem Zustand kam ich in der Clique gut an, also trank ich. Mit dem Einstieg ins Berufsleben war diese Phase vorbei. Über Jahre aber blieb ein riskanter Konsum.

 

„Es war mit egal ...“

Durch die Erkrankung und den Tod meines Mannes geriet ich später in eine Lebenskrise. Mein Alkoholkonsum stieg sehr schnell an. Innerhalb kurzer Zeit trank ich täglich Weinbrand und Wein in größeren Mengen. Schon zu diesem Zeitpunkt war mir bewusst, dass ich Alkoholikerin bin. Aber es war mir egal. Ich wurde passiv, verlor an vielen Dingen das Interesse und zog mich zurück. Ich hatte keine Lebensqualität mehr und wenig Achtung vor mir selber. Zu dieser Zeit trank ich täglich zwei Flaschen Rotwein.

Als meine Schwester, die auch alkoholkrank war, mit 51 Jahren einen plötzlichen Herztod erlitt und ich ihre verzweifelten Angehörigen sah, begann eine Wende in meinem Denken. Meine Gleichgültigkeit gegen mein eigenes Leben begann zu bröckeln.

 

Sechs Flaschen Rotwein fürs Wochenende

Eine Weile später musste ich dringend sechs Flaschen Wein fürs Wochenende besorgen. Es war Winter: Schneeregen, Blitzeis, Dunkelheit. Der Weg, den ich mit dem Bus erledigen musste, war anstrengend. Als ich auf dem Rückweg an der Haltestelle stand, schämte ich mich vor mir selbst: Ich hatte mich selbst verloren. Ich wollte aufhören!

Ich führte gute Gespräche mit meinen damals schon erwachsen Kindern. Sie unterstützten mich sehr. Meine Tochter fuhr mit mir zu einem Beratungsgespräch in eine Suchtklinik. Ich informierte mich über Wege aus der Sucht, auch sprach ich damals schon mit einer Selbsthilfegruppe. Ich habe noch drei Monate gebraucht, bis ich wirklich mit dem Entzug begann und für fünf Tage in die Klinik ging. Schon hier begann ich zu spüren, wie gut es tut, mit anderen Süchtigen zu sprechen. Auch die Therapeuten halfen mir sehr. Der Entzug selbst war anstrengend, aber ich war entschlossen: Ich wollte nicht mehr trinken müssen!

 

Mein Leben ist wieder bunt

Im Anschluss machte ich eine ambulante Therapie mit Gruppen- und Einzelgesprächen. Ich nahm Kontakt zu meiner Selbsthilfegruppe auf und traf Menschen, die ich jahrelang nicht gesehen hatte. In der Gruppe habe ich viel Unterstützung erfahren, besonders am Anfang, als ich noch unsicher war. Ich lebe nun seit sechs Jahre alkoholfrei. Ich habe mein Leben wieder! Es ist bunt mit vielen Interessen, Leuten Ausflügen und Kursen. Und: Meine Kinder sind stolz auf mich! Die Entscheidung, alkoholfrei zu leben, war eine der besten meines Lebens. Wichtig war, dass ich Hilfe annehmen konnte. Ich danke allen, die mich auf meinen Weg begleitet haben und noch immer begleiten.

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