Andrea (55): „Ohne meinen Mann geht es mir deutlich besser“

Es war ein Sonntag: Ich war schwanger mit meiner ersten Tochter, als mein Mann zum wiederholten Mal nicht aus dem Bett kam, weil er sich von seiner nächtlichen Sauftour erholen musste. Damals wurde mir klar, dass er als werdender Vater ein Problem wird.

Wenn er morgens nicht aus dem Bett kam, meldete ich ihn bei seinem Chef krank. Immer öfter floh ich später mit den Kindern am Wochenende von zu Hause – ich ging mit ihnen nach draußen oder zu meiner Schwester, weil ich das Elend von ihnen fernhalten wollte. Ich merkte, wie ich zunehmend mein Befinden von seinem Pegel abhängig machte. Und so habe ich mich abends oft mit Freunden verabredet, da mein Mann keine anderen Interessen als das Trinken hatte und meine Vorschläge für Unternehmungen fast alle abgelehnte. Das hat unserer Beziehung sehr geschadet. Ich trennte mich von meinem Mann – aber ich ging wieder zurück, als er mir versprach, trocken zu bleiben.

 

Kann ich noch selbstständig leben?

Als ich mich in einen anderen Mann verliebte, war unsere Beziehung ziemlich kaputt. Ich zog aus, weil ich mich manipuliert fühlte und mir selbst gar nichts mehr zutraute. Ich musste ausprobieren, ob ich noch selbstständig überleben konnte.

Als mein Mann eine Weile trocken war, kamen wir wieder zusammen – und das Spiel ging von vorne los: Er wurde rückfällig und trank wieder. Dabei waren wir so sehr auf seine Sucht und unsere Beziehungsprobleme fixiert, dass wir gar nicht bemerkten, dass unsere Töchter Schulprobleme bekamen und die große Tochter eine Magersucht entwickelte.

Ich versuchte, das Familienleben irgendwie noch zu retten. Doch ich wurde zunehmend depressiv, bis ich ganze Tage nur weinte, wofür aber eigentlich kein Raum war, da ich mich ja um die Familie kümmern musste.

 

Meine 14-jährige Tochter öffnete mir die Augen.

Von Freunden wurden wir zu einem Urlaub nach Spanien eingeladen. Das war für uns etwas ganz Besonderes, denn sonst machten wir immer nur Urlaub in Mecklenburg-Vorpommern.  Mein Mann fand dort in der ersten Nacht Saufkumpanen, mit denen er dann die Nächte verbrachte, während ich mit den Kindern tagsüber alleine Urlaubsprogramm machte. Das war erschütternd – es wurde der schrecklichste Urlaub, den wir je machten.

Dennoch dauerte es noch zwei ganze Jahre bis zu unserer Trennung. Wir stritten viel. Er warf der Familie vor, wir würden ihn alle unfair unter Druck setzen, wenn wir von ihm forderten, abstinent zu werden. Das war für meine damals 14-jährige Tochter zuviel. Sie entgegnete: „Du schaffst hier eine Situation, unter der wir alle leiden, und du bist der Einzige, der das ändern kann, doch du tust es nicht – das ist unfair!“ Für diese klaren Worte bin ich ihr heute noch dankbar, denn sie haben mir die Augen geöffnet und die Entschlossenheit zu handeln gefestigt.

Als er wieder einmal ein ganzes Wochenende nicht aus dem Bett kam, entdeckte ich im Internet ein Forum für Angehörige (www.forum-alkoholiker.de): Mir wurde klar, wie sehr ich alle Kriterien für Co-Abhängigkeit erfüllte. Ich packte meine Koffer.

 

Zusammenleben? Nur bei Abstinenz!

Ich war nun wirklich bereit, auszuziehen in die Wohnung einer Freundin, die für längere Zeit nicht da war. Genau da kamen zwei seiner alten Freunde vorbei, und wir brachten meinen Mann gemeinsam zum Entzug. Es gelang uns auch, sofort im Anschluss eine Therapie für ihn zu bekommen. Doch mein Mann war nicht wirklich einsichtig – gleich nach der Therapie begann er wieder zu trinken. Weil ich ein weiteres Zusammenleben mit ihm von seiner Abstinenz abhängig gemacht hatte, haben wir uns konsequenterweise getrennt – und diesmal zog er aus.

Leider trinkt er immer noch. Wir haben inzwischen ein freundschaftliches Verhältnis, doch ich könnte nie wieder mit ihm zusammenleben, auch wenn er abstinent wäre. Dafür ist zu viel passiert. Mir geht es ohne ihn deutlich besser, mein Selbstvertrauen ist wiederhergestellt, und ich will nie wieder in so ein Abhängigkeitsverhältnis geraten.

 

Ich habe erkannt, dass es vielen Frauen so geht wie mir.

Ich habe gemerkt, dass es nicht mein alleiniges privates Problem ist, sondern dass es vielen Frauen ganz genauso geht. In der Frauen-Gesprächsgruppe habe ich auch viele selbst betroffene alkoholkranke Frauen getroffen und ihre Sicht auf die Alkoholsucht hat mir geholfen, alles besser zu verstehen.

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